Hat man bereits das ein oder andere Fußballspiel besucht, so ist es traurigerweise ein bekanntes Bild, dass man beispielsweise an Bahnhöfen von der Polizei so begrüßt und begleitet wird, als würde man atomares Gefahrengut transportieren. Passiert das bei sogenannten Gefahrenspielen mit halb vermummten Fans mit hässlichen Sonnenbrillen und Bierfahne, kann man das ja zumindest noch teilweise nachvollziehen. Aber bei einem Freundschaftsspiel der Nationalmannschaft?
Wenn ein beachtlicher Teil des Publikums Kids sind, die heute ausnahmsweise mal länger wach bleiben dürfen, um ihre Idole Manuel Neuer und Marco Reus zu sehen? Ja, denn die Angst hat gewonnen. Ein paar Spinnern ist es gelungen die Welt in einen Schockzustand zu versetzen. Und obwohl sie pro Jahr weitaus weniger Menschen auf dem nicht vorhandenen Gewissen haben als beispielsweise Kühlschränke und seit Jahren die Zahl der Toten durch Terror in Westeuropa beständig sinkt, steht an diesem Abend wahrscheinlich niemand in den langen Warteschlangen vor dem Olympiastadion ohne zumindest kurz an ein „was wäre wenn…“ Szenario zu denken.
Wie gut die Masche des Terrors funktioniert, erkennt man nicht nur an den überzogenen und letztlich berechtigten Sicherheitsvorkehrungen, sondern auch in anderen Momenten. Zum Beispiel, als mit einer Schweigeminute den Opfern der jüngsten Anschläge in Brüssel gedacht wurde und einige diesen Moment der Stille nutzten, um ein lautstarkes „Merkel muss weg!“ zu rufen. Genauer gesagt war es „Märgel moss weg!“ und es war ein bisschen wie im Internet: Die Dummen sind in der Unterzahl und doch hört man sie am lautesten und sie hinterlassen den bleibendsten Eindruck. Wie soll man sich in so einem Setting noch auf den Fußball konzentrieren können und sich erst recht daran erfreuen?
Als wäre das Umfeld eines Spiels von „Der Mannschaft“™©™©™© nicht schon absurd genug. Die Nationalmannschaft ist mittlerweile vollends ein Produkt fürs Fernsehen und im Stadion kommt man aus Momenten, in denen man sich unangenehm berührt fühlt, gar nicht heraus. Cowboyhüte und Blumenketten im Design der deutschen Flagge sind da noch ein kleines Übel. Klar, Fankultur ist hier nicht wirklich zuhause. Zielgruppe sind schon eher die eingangs beschriebenen Kids und ihre Eltern. Und das ist ja auch vollkommen okay und tausendmal besser als Spinner, die den Fußball des DFB als falsches Ventil für Nationalstolz nutzen.
Aber mit welcher Erwartungshaltung gehen Fans der deutschen Nationalmannschaft eigentlich ins Stadion? Und ab wie vielen Entertainmentmaßnahmen, sind sie endlich zufrieden? Anfangs findet es man ja noch amüsant, wenn zum Beispiel einige Ordner vor Spielbeginn mit einem Banner vor der Ostkurve umherlaufen, mit dem Hinweis, man möge bitte die Pappen auf dem Platz zu Spielbeginn hoch halten.
Verkrampft wird man erst, wenn zum Torjubel immer noch „Schwarz und Weiß“ von Oliver Pocher gespielt wird. Das Lied ist mittlerweile 10 Jahre alt. Das ist so lange her, dass sich Oliver Pocher im Musikvideo dazu schwarz angemalt hat, um Gerald Asamoah zu parodieren. Ja, genau.
Dazwischen herrscht meist große Stille. Aber woher soll auch die große Stimmung kommen? Bei der Nationalhymne wurde immerhin noch der Text der Nationalhymne auf den Videowänden eingeblendet, ansonsten gibt es kaum Liedgut für die deutsche Nationalmannschaft abseits vom „… … … Sieg!“ (puh …) und „Deutschlaaaaaand … schlaaaaand … schlooooond … schlooooooond“. Und so ist die Stimmung im Stadion immer dann (und fast nur dann) besonders präsent, wenn gepfiffen wird. Am lautesten jedes Mal, als sich die englischen Fans der Laola-Welle entzogen.
Oder auch, als vor dem Spiel bekannt gegeben wurde, dass Mesut Özil bereits zum 4. Mal als Nationalspieler des Jahres gewählt wurde. Eine Wahl, die übrigens von Fans bestimmt wurde.
Und natürlich wird nach dem Spiel noch einmal kräftig gepfiffen. Eine der scheinbar wenigen Traditionen bei der Nationalmannschaft, wenn es nicht mindestens für ein 7:1 reicht. Klar spielten einige Spieler unter ihrem Leistungsniveau, Thomas Müller gab es sogar offen zu, bei Testspielen in manchen Situationen die Sparflamme vorzuziehen. Aber dafür sind es doch nunmal auch Testspiele, oder? Ob es, sagen wir mal, beim FC Bayern in ein Pfeifkonzert ausartet, wenn ein nettes, aber unbedeutendes Testspiel gegen Manchester United vorm Beginn der Champions League verloren geht?
Warum ist das Eventpublikum der Nationalmannschaft so viel kritischer, als das einiger großer Vereine? Spielt da wirklich der Quatsch von gekränktem Nationalstolz eine Rolle? Ich hoffe nicht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass das Spiel selbst das einzige ist, was noch nicht von einer Hand voll PR-Agenturen zurecht gebogen wurde.