Stickerfrust


Ausgerechnet, wenn die Bundesliga in ihre (bis auf die Meisterschaft) spannende Phase geht, grätscht eine Länderspielpause dazwischen. Zwar sind es mit den Spielen gegen England und Italien zwar echte Länderspielklassiker, allerdings sind sie dann doch eher ein Fressen für Boulevardmedien, statt Unterhaltung für Fußballfreunde. Sehr passend also, dass ebenfalls genau in dieser verordneten Fußballpause das neue Panini Sammelalbum zur EURO 2016 erscheint und die Langeweile der Bundesligapause geschickt mit EM-Vorfreude überpinselt.

Seit Jahrzehnten gehen die Klebebildchen Hand in Hand mit fußballerischen Großereignissen und haben sich dabei einen ganz eigenen Kosmos aus fußballromantischen Erinnerungen und vorfreudigen Sammelbetrieb geschaffen. Für Außenstehende mag das immer etwas absurd klingen, aber jedes Stickertütchen ist mit der Haptik, dem Geräusch des Öffnens (inklusive eigener Öffnungstaktik natürlich) und dem Geruch eine Art Ticket zur Zeitreise in die eigene Fan-Vergangenheit. Egal welcher unbekannte Flügelflitzer aus Wales oder Albanien auf den Stickern ist, diese einzigartige Kombination ruft unmittelbar auch die Erinnerung hervor, wie man beispielsweise einst das erste Sammelbildchen vom jungen Pierre Littbarski einklebte.

Lässt man sich einmal darauf ein, findet man in jeder Ecke des Panini-Stickersammelns ein klein wenig Fußballromantik. Dementsprechend vorfreudig kaufte ich auch dieses Mal das Sammelalbum. Nach der großen Vorfreude allein beim Anblick der Doppelseite mit allen Stadien der EM, schwand meine Freude und mein großes Sammelvorhaben beim Anblick des jungfräulichen Hefts langsam aber sicher dahin.

Es ist an sich natürlich absoluter Quatsch Panini vorzuwerfen, sie würden auch aus der letzten Ecke noch ein paar Cent quetschen wollen. Darum ging es bei der Idee der Sticker ja schon im Kern, schließlich macht das Sammeln und brave Einkleben nüchtern betrachtet ja überhaupt keinen Sinn. Es ist eine rein emotionale Angelegenheit voller Fußballromantik. Und das bereits über Generationen. Aber wie das nunmal so ist, wird dort, wo Fußballromantik drin steckt, fleißig businessoptimiert.

Foto: BERTRAND GUAY/AFP/Getty Images
Foto: BERTRAND GUAY/AFP/Getty Images

Es ist mein mittlerweile 13. Sammelalbum und zugegebener Maßen gelang es mir noch nicht, auch nur eines dieser Alben vollständig zu füllen. Freude hatte ich trotzdem jedes Mal daran. Und Motivation es dieses Mal wirklich zu schaffen erst recht. Nicht so dieses Mal. Beim Durchblättern sah ich, dass der letzte Sticker (Adam Szalai) die Nummer 690 trägt. Puh, 690 Sticker. Ich hatte eigentlich gehofft, es wären Sammelbildchen, schließlich ist ein EM ja nicht ganz so umfangreich wie eine WM. Tatsächlich sind es aber sogar mehr Sticker als bei der WM 2014. Zum Vergleich:

WM 2014: 660 Sticker

EM 2012: 540 Sticker
EM 2008: 535 Sticker
EM 2004: 334 Sticker
EM 2000: 358 Sticker
EM 1996: 354 Sticker

20 Jahre nach dem letzten EM-Titel Deutschlands braucht man also beinahe doppelt so viele Sticker, um ein Album vollzubekommen. Puh. Klar haben wir mit 24 Teams ein ungleich größeres Teilnehmerfeld, trotzdem nimmt das teilweise komische Formen an. Zum Beispiel gibt es neben den normalen 20 Stickern für jedes Team noch einmal Sticker für die „Starting Eleven“ während der EM-Qualifikaton. Dabei gibt es einen Starspieler und die restlichen 10 Spieler haben nur die halbe Stickergröße, wodurch zwei davon auf einem Sticker sind.

Zur WM 2014 stellten Mathematiker eine Rechnung auf, dass 931 Päckchen braucht, um ein Album komplett zu befüllen. Umgerechnet also 558,60€. In diesem Jahr wurde zudem der Preis pro Päckchen von 60 auf 70 Cent erhöht. Da es ähnlich viele Sticker sind, bleiben wir einfach mal bei 931 Päckchen, welche dann schon 651,70€ bedeuten würden.

Neben den normalen Stickern gibt es auch dieses Jahr wieder Sammelbilder von Partnern. Will man das Album also wirklich voll bekommen, muss man neben den normalen Päckchen auch noch fleißig bei McDonald’s und Coca Cola shoppen.

Immerhin lässt sich das Ganze zumindest etwas durch Tauschen eindämmen. Aber bei diesen Aussichten ist der Ansporn zum Sammeln ja irgendwie doch nicht mehr der allergrößte. Um noch einmal den Vergleich mit 1996 zu machen: Damals waren es nicht nur halb so viele Sticker, die dazugehörigen Stickerpäckchen kosteten mit 70 Pfennig auch nur die Hälfte des heutigen Preises.

Klar, irgendwie ist es ziemlicher Quatsch sich über so etwas Gedanken zu machen oder gar aufzuregen. Aber irgendwie auch nicht, schließlich ist es ja eine Herzensangelegenheit.